Mülheimer helfen, um Tschernobyl wieder lebenswert zu machen

Mitglieder der Mülheimer Initiative Tschernobyl-Kinder sind für ihr Engagement vom Mülheimer Oberbürgermeister Marc Buchholz ausgezeichnet worden.
Foto: Michael Dahlke / FUNKE Foto Services
Mülheim. Sie helfen da, wo Menschen Schreckliches erlebten und noch heute unter den Folgen leiden: Tschernobyl – dort engagiert sich Mülheims Initiative.

Die Weltpolitik betrifft auch Mülheim. Das machte Oberbürgermeister Marc Buchholz, bei einer Feierstunde im Ratssaal deutlich. 25 Aktive der 1992 von Dagmar van Emmerich ins Leben gerufenen Initiative Tschernobyl-Kinder wurden vom OB mit einer Urkunde und mit einem Eintrag ins Gästebuch der Stadt für ihr humanitäres Engagement geehrt. In 30 Jahren kam beachtliches Engagement zusammen.

Jürgen Skotschke, der seit 2022 an der Spitze der Tschernobyl-Initiative steht, ließ mit einer Fotoshow den seit 30 Jahren geleisteten Einsatz für die Menschen in Weißrussland Revue passieren. Zwei Drittel der atomaren Verstrahlung traf 1986 zwei Millionen Menschen in Weißrussland. In der 45.000-Einwohner-Stadt Zhodino, 60 Kilometer östlich von der Hauptstadt Minsk und im 2000-Einwohner-Ort Dobryn, das 260 Kilometer östlich von Minsk und damit nahe der ukrainischen Grenze liegt, hat die Unterstützung der Tschernobyl-Initiative für die dort lebenden Menschen segensreich gewirkt.

Mülheimer Tschernobyl-Initiative gründet unter anderem ein inklusives Jugendzentrum

Neben vielen Freundschaften, die seit 1992 entstanden sind, stehen die Förderung mehrerer Schulen, einer Sozialstation, Fortbildungen, Einzelfallhilfen sowie die Gründung und Förderung eines inklusiven Jugendzentrums und einer inklusiven Werkstatt auf der Haben-Seite der Initiative Tschernobyl-Kinder. Möglich wurde all das durch bürgerschaftliches Engagement in unserer Stadt.

Im Tschernobyl-Laden am Kohlenkamp 2 in der Mülheimer Innenstadt verkaufen Mitglieder der Initiative gut Erhaltenes aus zweiter Hand. Der Erlös kommt den Projekten des Vereins zugute.
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Denn hier arbeiten Ehrenamtliche im Tschernobyl-Laden am Kohlenkamp 2. Sie verkaufen werktags von 10 bis 14 und samstags von 10 bis 13 Uhr dort für kleines Geld Gutes aus zweiter Hand, das ihnen Menschen gespendet haben. So kommt ein Euro für die guten Taten der Initiative Tschernobyl-Kinder zum anderen.

Der Krieg in der Ukraine hat Auswirkungen auf das Engagement der Mülheimer Initiative

„Wir haben darüber diskutiert, ob ich das Grußwort des weißrussischen Botschafters, in dem er sich für die humanitäre Hilfe der Initiative Tschernobyl-Kinder bedankt, vorlesen soll“, räumt Oberbürgermeister Buchholz ein. Dass er sich dafür entschieden hat, begründet er mit dem Hinweis, „dass wir uns einen baldigen Frieden und eine positive Veränderung der geopolitischen Lage wünschen, die humanitäre Hilfe für die Menschen in Weißrussland und in der Ukraine möglich macht.“ Für Buchholz hat die Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl unser Leben ebenso nachhaltig verändert, wie die islamistischen Terroranschläge des 11. September 2001.

Hilfe aus Mülheim für Menschen in Weißrussland scheitert derzeit an Sanktionen

Der 44-jährige IT-Fachmann Oliauzimir Malkowich, seine Mutter Galina Malkowich, die weißrussische Lehrerin Swetlana Kosiecka, die aus der Ukraine stammende Elena Briel und die aus Usbekistan stammende Irina Borosaja verbindet ihr Engagement in und mit der Tschernobyl-Initiative. Für sie gilt: „Politik ist Politik. Und Menschen sind Menschen.“

Jürgen Skotschke, der seit 2022 an der Spitze der Tschernobyl-Initiative steht, bei der Ehrung im Mülheimer Rathaus.
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Auch der Vorsitzende der Initiative, Jürgen Skotschke, ist überzeugt, „dass wir als Vertreter einer zivilgesellschaftlichen Hilfsorganisation mehr für die Menschen in Weißrussland und in der Ukraine erreichen können, als es Politiker könnten“. Allerdings weist er darauf hin, „dass wir derzeit aufgrund der internationalen Sanktionen gegen Weißrussland weder Geld- noch Sachspenden dorthin bringen können.“

Deshalb schickte die Initiative Tschernobyl-Kinder e.V. im November 2022 mehr als 900 „Schuhkartons der Hoffnung“, gut gefüllt mit gespendeten Dingen, die man fürs Über-Leben braucht, nicht nach Weißrussland, sondern über die polnische Partnerstadt Opole (Oppeln) in deren ukrainische Partnerstadt Iwano-Frankiwsk.

Eines der ersten Tschernobyl-Kinder, die bei Mülheimer Gasteltern unterkamen

Damals packte auch OB Buchholz mit an und ließ sich von Jürgen Skotschke als Mitglied für die Initiative Tschernobyl-Kinder werben. Tatsächlich konnte Skotschke nach dem Festakt im Ratssaal neue Mitglieder begrüßen, die ihm im Vorbeigehen einen Aufnahmeantrag in die Hand drückten. „Sobald das möglich ist, werden wir unsere Hilfe für die Menschen im weißrussischen Zhodino und in Dobryn wieder aufnehmen. Wir sind aber auch bereit, uns in das neue Städtepartnerschaftsdreieck zwischen Mülheim, Oppeln und Iwano-Frankiwsk einzubringen“, betont Jürgen Skotschke.

Die Mitglieder der Mülheimer Initiative Tschernobyl-Kinder wurden für das 30-jährige Bestehen des Hilfsvereins im Rathaus von Oberbürgermeister Marc Buchholz geehrt.
Foto: Michael Dahlke / FUNKE Foto Services

Für Oliauzimir Malkowich, der 1993 zu den ersten Tschernobyl-Kindern gehörte, die bei den van Emmerichs und anderen Mülheimer Gasteltern einen Erholungsurlaub erlebten und im Bonner Kinderkrankenhaus gegen ihre aus der atomaren Verstrahlung resultierenden Krebserkrankung behandelt wurden, ist es heute noch wie ein Wunder, „dass ich mithilfe so vieler sozial engagierter und guter Menschen in Deutschland meine Krankheit überleben und meinen Horizont erweitern konnte.“

Originalartikel PDF – www.waz.de